Besondere Homöopathische Taschenapotheken nun in der Sammlung des IGM

Mitteilung

Dass die beiden bei einer Auktion im Mai 2023 angebotenen Taschenapotheken eine Besonderheit sind und das IGM daher ein Gebot abgeben würde, war nach der Lektüre der Beschreibung klar: "Homöopathische Taschenapotheken: in Blechdosen zusammengestellt von Dr. med. homoeop. R. Haehl. Dr. Fr. Mauch Göppingen. 1 x Hahnemannia Landesverein für den Kriegsbedarf. Mit Glasphiolen bestückt. Mit Anleitungsheftchen. Deckel berieben. Alterssp.". Denn die im Los enthaltenen "Homöopathische Taschenapotheke für den Haus- und Reisegebrauch" war bis dahin höchstens aus entsprechenden Werbeanzeigen aus Laienzeitschriften ein Begriff. Zudem war bisher quasi keine derartige Einrichtung aus der Apotheke Mauch in Göppingen überliefert bzw. bekannt, dass eine solche in anderen Sammlungen erhalten geblieben wäre. Doch das glücklich erworbene Los hielt noch eine weitere Überraschung bereit: die dazu gehörende "Homöopathische Kriegstaschenapotheke der Hahnemannia" entpuppte sich bei näherer Betrachtung als ebenfalls bisher nicht erhaltenes Exemplar.
Die Sammlung des IGM umfasste bis zum Erwerb des Neuzugangs bereits eine leere Kriegstaschenapotheke, die im Laufe ihrer Existenz als Aufbewahrungsbehälter für Schrauben zweckentfremdet worden war und daher in einem nicht mehr ganz so guten Zustand ist. Außerdem gibt es eine nicht ganz vollständig erhaltene Kriegs- taschenapotheke der Hahnemannia. Über diese sowie eine ähnliche Einrichtung aus dem Hause Willmar Schwabe war 2019 bei einer Tagung über "Objekte als Quellen der Medizingeschichte" referiert worden. (Vgl. Baschin, Marion: Zwischen Notwendigkeit und Kommerz. Homöopathische Kriegs-Taschenapotheken als Objektquellen. In: Virus. Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin 19 (2020), S. 113-128.)
Die nähere Betrachtung der Neuzugänge zeigte, dass sich der Inhalt der neuen Kriegstaschenapotheke von jenem der bereits vorhandenen unterschied. So sollte diese ursprünglich 14 Mittel erhalten, während die Gebrauchsanweisung der anderen 15 Mittel aufführte. Auch die Zusammensetzung der Wirkstoffe war unterschiedlich. Besonders schön ist es, dass sich in der erworbenen Apotheke die Flasche für das Mittel Ledum, das für eine äußerliche Anwendung gedacht war, erhalten hat. Dieser Wirkstoff war in der bereits vorhandenen Dose nicht mehr genannt. Stattdessen waren dort Arnica und Ferrum phosphoricum enthalten. Doch wie passt das alles zusammen?
Die Lösung ergibt sich, wenn man die Geschichte der Entwicklung dieser Kriegstaschenapotheken betrachtet. Nachdem der Erste Weltkrieg begonnen hatte, entwickelte die homöopathische Laienvereinigung Hahnemannia in Stuttgart ab September 1914 in Kooperation mit der Apotheke Mauch in Göppingen kleine Blech- dosen mit homöopathischen Arzneimitteln für die ausgezogenen Soldaten, damit diese sich bei kleineren gesundheitlichen Problemen an der Front selbst helfen konnten. Gedacht war vor allem an die Mitglieder homöopathischer Laienvereine. Die erste Version dieser Kriegstaschenapotheke kosteten 75 Pfennige und umfassten "14 der für die Kriegsbedürfnisse wichtigsten Mittel". Doch bereits ab Dezember des Jahres wurde für eine entsprechende Taschenapotheke mit 15 Mittel geworben. Damit ist klar, dass das neu erworbene Objekt zu den ersten homöopathischen Kriegstaschenapotheken der Hahnemannia zählte, die bereits vorhandene Apotheke ist hingegen wohl auf 1915 zu datieren. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die kleine praktische Blechbüchse weiter hergestellt. Nun wurde sie für sieben Mark als Taschenapotheke für den Haus- und Reisegebrauch weiter durch die Apotheke Mauch in Göppingen vertrieben. Daher ist die andere neu erworbene Dose auf die Zeit nach 1919 zu datieren.
Die Anleitung zum Gebrauch der Mittel und deren Zusammenstellung hatte der homöopathische Arzt Richard Haehl (1873-1932) erarbeitet. Auf diesen geht der Ursprung der IGM-Sammlung zurück. Insofern ergänzen die beiden besonderen Taschenapotheken unsere einzigartige Sammlung in ganz hervorragender Weise.